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Agil ist tot – es lebe die Agilität

agile Transformation gestalten

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Warum Agilität zu scheitern droht und was es braucht, um weiterhin anschlussfähig zu bleiben!

Agilität galt über die letzten Jahrzehnte hinweg als das Mittel zum Erfolg. Fast schon als der Heilsbringer, der jede nur erdenkliche Schwierigkeit beseitigen sollte. Ein Konstrukt, ursprünglich geschaffen, um besser mit komplexen Herausforderungen umgehen zu können, welches angetreten ist, damit Menschen das tun können, was sie am besten können. 

Doch, was ist passiert, dass sich der Trend nun umkehrt? Was hat sich in der Unternehmenswelt verändert, dass Organisationen den Weg zurück suchen? Sich von agilen Arbeitsprinzipien abwenden und wieder auf klassische Managementstrukturen zurückgreifen. Ist es die Ohnmacht, die die aktuelle Welt auslöst? In all ihrer Komplexität, in all den Unsicherheiten, die sich ergeben haben. Oder liegt es vielleicht in ernsthaften Fehleinschätzungen verwurzelt, die uns an der Wirkkraft agiler Prinzipien zweifeln lassen.

In diesem Artikel möchte ich den grundlegenden Fehleinschätzungen auf die Spur kommen und aufzeigen, warum agil nicht gleich agil ist und welche Denkmuster es braucht, um doch noch auf den Pfad des Erfolges zurückzukehren.

Grundlegende Denkfallen der Agilität

Denkfalle Nummer 1:
Menschen können nicht komplex!

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass wir Menschen nicht dazu in der Lage sind, mit Komplexität umzugehen. Es mag richtig sein, dass komplexe Fragestellungen meist so unklar sind, dass wir die Zusammenhänge nicht erfassen können. Das liegt daran, dass ein komplexes System aus einer Vielzahl unerwarteter Überraschungen besteht, die wir schlechtweg in ihrer Summe nicht erfassen können. Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht mit ihnen umgehen können. Wäre dem so, wäre es uns nicht gelungen, im Laufe der letzten Jahrtausende für entsprechende Herausforderungen gangbare Lösungen zu entwickeln. 

Die Kompetenz dazu wird uns bereits in die Wiege gelegt. Kinder entdecken ihre Welt auf spielerische Art und Weise, indem sie experimentieren uns ausprobieren. Doch dann kommt das Bildungswesen um die Ecke und bringt ihnen Regelwerke bei, die helfen sollen, die Welt aus wissenschaftlichen Blickwinkeln zu betrachten. Einem Kind wird schlichtweg die Fähigkeit aberzogen, sich einem komplexen Problem zu nähern, indem es Strukturen auswendig lernen darf, die nicht für Komplexität geeignet sind. Kreativität und der sprichwörtliche Blick über den Tellerrand geht verloren. Lösungen entsprechen nur noch dem vorgegebenen Muster.

Denkfalle Nummer 2:
Komplexes muss vereinfacht werden!

Wir müssen alles einfach machen! Komplexes ist viel zu kompliziert, als dass man es bearbeiten kann. Es fragt sich wo dieser Denkfehler herkommt. Ja, sicherlich, der Wunsch nach Einfachheit liegt vielen Gedanken zugrunde und oft ist dieser auch von hoher Relevanz. Gerade dann, wenn es sich um komplizierte Sachverhalte handelt. Genau hier liegt ein wesentlicher Irrglaube versteckt. Denn Komplexes lässt sich nicht vereinfachen. Komplexität ergibt sich, per definitionem, daraus, dass Wechselwirkungen und Zusammenhänge unklar und unübersichtlich sind. Was bedeutet, dass wir mit einer Vielzahl von unerwarteten Überraschungen rechnen müssen, welche wir nicht vorhersehen können. Versucht man nun einen Prozess oder einen Ablauf zu gestalten, welcher darauf ausgelegt ist, die Situation zu vereinfachen, wird dies zum gegenteiligen Effekt führen. Anstatt das System übersichtlicher zu machen, wird es zwangsläufig noch unklarer und unsere Reaktionsfähigkeit in unterschiedlichen Situationen weiter eingeschränkt.

An dieser Stelle ist die Differenzierung nach Kompliziert und Komplex essentiell für den Fortbestand. Kompliziertes lässt sich vereinfachen, da es sich hierbei lediglich um ein subjektives Empfinden einer Situation handelt. Eine Situation ist so lange als kompliziert anzusehen, solange wir das Wissen und die Fähigkeiten über ihre Wirkmechanismen noch nicht verinnerlicht haben, aber auf der anderen Seite Lösungsszenarien, welche wir in der Vergangenheit erfolgreich umgesetzt haben, bereits existieren. Dies ist im Komplexen nicht der Fall. 

Denkfalle Nummer 3:
Agilität ist eine Summe aus Arbeitsmethoden

SCRUM, Kanban, OKR oder Design Thinking. So nennen sich die neuen Arbeitsweisen, die der Unternehmenswelt das gesegnete Land versprechen. Und wenn es einmal größer werden soll: SAfe, LeSS oder das vielgelobte Spotify Modell. Hinter all diesen wohlklingenden Namen verstecken sich rahmengestaltende Methodiken, welche eine Organisation agil machen wollen. Und es stimmt! Diese vielgelobten Frameworks sind dafür geschaffen, komplexe Herausforderungen gangbar zu machen. Aber nicht dadurch, dass sie uns einen Weg zeigen, wie wir es schaffen durch unsicheres Fahrwasser zu manövrieren, ebenso wenig, wie sie dafür da sind, Lösungen an den Tag zu spülen. Das vermag ein Framework nicht. Denn Frameworks nehmen uns das Denken nicht ab. Im Gegenteil.  

Viele Organisation zweifeln inzwischen, ob agile Arbeitsstrukturen den Erfolg bringen, den sie versprechen. Die entscheidende Frage ist aber nicht, warum das Framework es nicht schafft, sondern vielmehr warum es die Menschen nicht schaffen, die in der Struktur arbeiten. Dies hat vielfältige Gründe. Wir erleben derzeit in der Praxis vielerorts Anpassungen an die Regeln. Sei es durch Veränderung der Führungsstrukturen, Abkehr von Prinzipien oder kontraproduktiven Umgang mit den funktionalen Werten. 

Agil ist keine Arbeitsmethode, es ist ein Konstrukt aus eigenem Mindset, gelebter Kultur und einer rahmengebenden Struktur. In der Summe als ein gänzlich veränderter Umgang mit den Herausforderungen der Welt, die um uns herum existiert. Und Agilität ist ein Angebot, aktiv in der Kommunikation und im Kundenkontakt zu sein und Entscheidungen spontan und mit sofortiger Wirkung zu fällen. Gerne auch immer und immer wieder.

Warum aber scheitern so viele Unternehmen am Agilen?

Weil Menschen Gewohnheitstiere sind! Haben wir uns einmal an eine Vorgehensweise gewöhnt, sie in unserem Verhalten gefestigt, fällt es uns schwer, wieder loszulassen. Wer kennt das nicht? Liebgewonnene Eigenschaften und etablierte Methoden fühlen sich nunmal gewohnt und gut an. Sie sind für uns fast schon in der DNA festgeschrieben. Nach getaner Arbeit nach Hause kommen, Füsse hoch anstatt jetzt noch eine Stunde zum Sport. Das eigene Kopfkissen mit in den Urlaub nehmen, weil das Hotelkissen so unbequem ist. Glaubenssätze und Überzeugungen, kontraproduktiv aber einfach bequem. 

Und genauso verhält es sich im Arbeitsleben. Regeln, die gefestigt sind, ob aufgeschrieben oder stillschweigend etabliert. Das Führungsverständnis in einer Organisation, dass sagt, wo es langgehen soll. Oder die Meetingstrukturen, die, nötig oder nicht, seit Jahren festgeschrieben sind. Muster über Muster, die sich in Überzeugungen gefestigt haben und bei denen es unbequem ist, sie zu verändern. Denn man ist ja nicht mehr in der Komfortzone. 

Diese Muster halten uns davon ab, etwas neues zu integrieren, verfallen wir doch nur zu gerne in den Alltagstrott, der sich so gut anfühlt. Die Folge: wir verändern innovative Vorgehensmodelle, solange, bis sie sich in unserer Überzeugung gut anfühlen. Oder schlimmer noch: Wir schaffen uns eine völlig neue Realität, die an unsere gewohnten Verhalten angeknüpft ist und fangen erst gar nicht an uns zu verändern. Aber, wie nennen es Agilität. Möglicherweise deshalb, weil wir Angst davor haben, es könnte sich ja doch etwas ändern.

Hinzu kommt die Führungsetage, die scheinbar ihren Status verliert, weil sich der gewohnte Titel nun in einen Anglizismus verändert, der nicht mehr so gut klingt, wie altbewährte "Hauptabteilungsleiter:innen"-Betitelungen. Man nennt sich jetzt ja agile Coach oder Transformation-Master. 

Die Notwendigkeit der Veränderung

Machen wir uns nichts vor. So, wie es die letzten 100 Jahre gelaufen ist, wird es nie wieder sein. Die Welt ist klein geworden, wir haben sie kleiner gemacht. Und sie und bleibt komplex. Daran werden wir nichts ändern. Schlimm genug, dass wir nach wie vor der irrigen Annahme aufsitzen, wir könnten Komplexes vereinfachen, sind wir doch selbst die Treiber der neuen Realitäten. Wir schaffen mehr und mehr vermeintliche Erleichterungen, um uns das Leben angenehmer zu gestalten und übersehen dabei, dass viel noch nie viel geholfen hat. Meist im Gegenteil. 

Wir haben uns eine neue Realität geschaffen und nun müssen wir lernen, damit umzugehen. Doch, was machen unsere deutschen Unternehmen und wahrscheinlich auch viele internationale Mutter-, Schwester- oder Tochterfirmen? Sie beharren auf dem, was mal war. Halten sich fest an Traditionen, ruhen sich fast aus, auf Erfolgen der Vergangenheit und, verlieren den Anschluss. Was früher einmal ein Markenkennzeichen war, ist heute längst überholt und wirkt nicht mehr. Und anstatt am eigenen Verhalten etwas zu ändern, versuchen wir krampfhaft das Verhalten der anderen anzupassen. Und jammern, wenn es nicht gelingen will. 

Wo sind sie, die großen Innovatoren, die Vordenken, die Neugestalter? Leider schon lange nicht mehr hier bei uns in Deutschland. Sie sind abgewandert, suchen ihr Glück in neuen Gefilden. Und unsere Fachkräfte. Die gehen auch. Weil sie glauben, in der neuen Welt mehr Anerkennung, mehr Freiräume, mehr Gestaltungsmöglichkeiten zu finden. Und haben damit wahrscheinlich auch recht. 

Agil - Das Wundermittel?

Nun gut. Agilität mag eine Lösung sein. Zumindest in den Grundfesten. Denn ist sie einmal angetreten, um der Komplexität ein wirkungsvolles Mittel entgegen zu setzen.

Eines Umstandes können wir zu 100% sicher sein: Agilität ist derzeit die einzige uns bekannte Lösung, die uns hilft, mit dieser Welt wirtschaftlich umgehen zu können. Schlichtweg, weil wir noch keine andere Variante entwickelt haben. Und es geht dabei nicht um die agilen Frameworks. Nein, es geht um eine Dankhaltung, die Unternehmen wendiger macht und hilft, dem stetigen Wandel zu begegnen.

Aber was muss man tun, damit agiles Arbeiten auch wirklich wirkt?

1. Komplexität als Chance anerkennen

Es hilft nichts. Komplexes ist nicht der Feind des Unternehmens, sondern vielmehr ein Freund. Denn sie war schon immer da und wird auch immer bleiben. Und meist hat sie uns dabei unterstützt, neue Wege zu gehen und technische Errungenschaften auf die Beine zu stellen. Einfach nur deswegen, weil Menschen sich der komplexen Natur einer Sache gestellt haben, und ausprobiert haben. Experimentieren und Schlüsse ziehen war schon immer die Vorgehensweise, um Ideen zu schaffen und wird es auch immer bleiben. 

2. In Menschen vertrauen

Der Mensch ist das einzige Element, welches in Komplexität überleben kann und sie meistern kann. Denn der Mensch ist selbst komplex. Wir können Lösungen schaffen und diese auch lebendig werden lassen. Wir sind anpassungsfähig und dazu in der Lage auf Überraschungen zu reagieren. Das vermag kein Tool und keine künstliche Intelligenz. Statt also unsere Mitarbeitenden zu Grunde zu managen, sollten wir vielmehr damit anfangen, ihnen Freiräume zur Entfaltung zu schaffen.

3. Die Weisheit liegt im System

Lebendige Systeme schaffen lebendige Lösungen. Nichts ist so kompetent, die richtigen Entscheidungen zu fällen, wie ein System aus Menschen. Teams haben die höchstmögliche Entscheidungskompetenz und können diese auch im Sinne des Wohles der Organisation umsetzen. Wenn sie es dürfen.

4. Neue Verhaltensweisen etablieren

Kultur folgt der Struktur. Ein altes Muster loslassen wird nur dann funktionieren, wenn wir das alte Verhalten mit positiven Erfahrungen gegen ein neues austauschen. Dann verändern sich auch die Haltung und das Mindset. Wir können nicht erwarten, dass Menschen einfach so einen Schalter umlegen und neu denken. Wir müssen sie dabei unterstützen. Konsequentes Festhalten am Neuen wird dies möglich machen.

5. Agilität ernst nehmen

Nochmal: Agil sein hilft wirklich. Aber nur dann, wenn wir die agilen Prinzipien ernsthaft vorantreiben. Jede Anpassung am Framework wirkt sich zwangsläufig darauf aus, dass das Modell der Zusammenarbeit zunehmend in Frage gestellt wird. Und Agilität ist kein esoterischer Mummenschanz. Im Gegenteil. Es ist ein ernstzunehmender Mechanismus, der helfen wird. Auch wenn sich manche Methode erstmal eigenartig anfühlt. So ist das nunmal in der Veränderung.

6. Menschen motivieren, anders zu denken

Hey. Logisch oder? Dann halten wir doch einfach unseren Mitarbeitenden die berühmte Karotte vor die Nase und geben ihnen ansonsten vor, was sie Bitteschön zu tun haben. Wird schon, diese Agilität. Wir müssen sie nur verlangen. Bitte nicht! Du und ich, wir sind von Natur aus motiviert. Da kann sich keine:r rausreden. Dafür braucht es aber mehr, als nur eine Ansage. Es braucht einen inneren Wunsch, etwas zu bewegen. Und den gilt es wiederum zu unterstützen. Wie das geht? Dafür gibt es keine "Copy & Paste"-Lösung. Individualität ist angesagt.

Herausforderung Transformation

Die größte Hemmschwelle in der agilen Transformation ist unser ureigener Ungedulds-Antreiber. Der Wunsch danach, dass alles ganz schnell wieder gut sein wird. Bedaure. Das wird nicht passieren. Muster verändern, alte Glaubenssätze durch neue zu überschreiben und eine neue Herangehensweise zu etablieren wird Zeit brauchen. Zeit, die die Organisation oft nicht zu haben scheint und deshalb ganz schnell wieder in den blinden Aktionismus Modus schalten wird. 

Eine agile Transformation wird nicht, wie früher einmal gedacht, von heute auf morgen, revolutionär das Unternehmen verändern. Stattdessen wird es ein nie enden wollender Prozess. Einer der in immer wiederkehrenden iterativen Rückmeldezyklen stattfinden wird. Agil eben.

Und es wird viele Iterationen geben. Aber eines ist sicher. Unternehmen lassen sich nicht allein von aussen gestalten. Für eine wirkungsvolle Transformation braucht es immer mehrere Angriffspunkte:

  • gut ausgebildete Coaches und Begleiter, die die Rahmenbedingungen gestalten können und Menschen in der Veränderung begleiten werden.
  • eine Geschäftsleitung, die hinter der Veränderung steht und sich selbst dafür einsetzt. Auch wenn es mal nicht so läuft, wie man sich das wünscht.
  • ein Transformationsteam, das genau auf die Notwendigkeiten schaut und dort ansetzt, wo angesetzt werden muss.
  • Master, die die Frameworks in allen Facetten beherrschen und sich gegen Widerstände durchsetzen können.
  • Und eine starke Begleitung von aussen, die für Empowerment sorgt und Hindernisse erkennt, wenn sie entstehen.

Wir von Planetagile unterstützen Menschen, Teams und Organisationen auf dem Weg zur agilen Transformation, gestalten mit euch zusammen die Roadmap und unterstützen beim Wandel tatkräftig. Melde dich gern bei uns, wenn wir etwas für dich tun können. Denn wir lieben Komplexität und stellen uns gern der Herausforderung.

About the author

Marc Schmetkamp

Marc Schmetkamp ist agiler Coach, Mentor und Organisationsentwickler. Gemeinsam mit dem Team von Planetagile entwickelt er Strategien, die passgenau Organisationen dabei unterstützen, den Start in agile Arbeitsweisen und effektive Zusammenarbeit zu meistern. Dabei ist es Marc besonders wichtig, den Fokus auf den Menschen zu legen und Werte lebendig werden zu lassen.


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