• Home
  • Blog
  • Agil – wie Glaubenssätze uns behindern

Agil – wie Glaubenssätze uns behindern

Glaubenssätze

0 comments

Wenn die Mega-Chance zum Buzzword wird. Was Glaubenssätze alles bewirken können.

Nur wenige Bewegungen treiben aktuell die Wirtschaftswelt so um, wie es Agilität tut. Denn der Megatrend aus den USA, der so vielen Tech-Unternehmen als Heilsbringer gedient hat, ist längst in der deutschen Unternehmenswelt angekommen. Alle wollen dabei sein, wollen ein Stück vom Kuchen abbekommen, der so vielversprechend ist und glauben damit den Schlüssel zum ewigen Erfolg in Händen zu halten. Oder wenigstens zum Erfolg der nächsten 20 Jahre.

Längst schon gilt Agiles nicht mehr als die neue Sau, die fleissig und behände durch die Dörfer getrieben wird. Im Gegenteil: Sie ist auf dem Dorfplatz angekommen und wird gerade vor aller Augen geschlachtet. Ist durch Glaubenssätze in Verruf geraten.

Und gleichsam haben wir natürlich auch einen ganzen Berg an Glaubenssätzen und Irrgedanken entwickelt, die in Veränderungsprozessen nur allzu normal sind. Denn immer wenn es darum geht, etwas zu verändern, spielt uns unser Gehirn einen gehörigen Streich. Oder auch mehrere. Was man unter Glaubenssätzen - Dogmen - versteht erklärt dieser Artikel anschaulich.

In diesem Artikel möchten wir euch die 8 wesentlichen, fehlgeleiteten Gedanken zu agilen Arbeitsweisen aufzeigen und gleichzeitig dafür sensibilisieren, dass du dich selbst immer wieder hinterfragst und darauf achtest, wenn in dir solch ein Gedanke Gehör finden möchte.

8 Glaubenssätze, die Agilität mit sich bringt.

Agilität ist wieder so eine Modeerscheinung!

Alles einmal neu machen. Ist doch ein typischer Trend, wenn es nicht weitergeht. Dann werden irgendwelche Ideen zusammengetragen, die irgendwo mal funktioniert haben. Dabei haben wir doch erprobte Verfahren.

Falsch: Agil ist nicht neu. Schon 1943 gab es Arbeitsmodelle, die eindeutig agile Prinzipien nutzten und nachweislich funktionierten. Wir haben hierzu im Artikel zu Agilität einiges zusammengetragen und zeigen dir gern, wo agiles Arbeiten seine Wurzeln hat. Ob es bei dir funktioniert hängt weniger davon ab, wie du mit Neuem oder Altem umgehst, sondern vielmehr davon, wie deine eigene Haltung zur Dynamik der Welt ist. 

Und: Letztlich entscheidet immer noch die Notwendigkeit. Agil wird nicht funktionieren, wenn es nur dem Trend wegen eingeführt wird.

Dieser ganze Kram funktioniert nur bei Google & Co.!

Tech-Unternehmen, insbesondere aus dem Silicon Valley sind die Vorreiter in agilen Arbeitsweisen gewesen. Die sind groß genug und können sich das leisten.

Falsch: Groß bedeutet auch schwerfällig und weniger flexibel. Aber um groß zu werden, braucht es viel mehr als nur eine zündende Idee. Es braucht Menschen, die Lust haben etwas zu bewegen. Und die sind auch im KMU Umfeld da. Groß bedeutet auch nicht, Tech-Gigant zu sein. Wahre Größe drückt sich in Wirkkraft und Anpassungsfähigkeit aus. Und die ist bei klein und groß gleich wichtig.

Als Führungskraft verliere ich Status und Ansehen!

Agil bedeutet ohne Führung. Jede:r macht was er/sie will und alle sind selbstorganisiert. Und tanzen den Obrigkeiten auf der Nase rum. Was passiert mit meinem Titel, meiner Reputation? Wie sehe ich in meinem eigenen sozialen Umfeld aus?

Falsch: Agilität verändert das Führungsverständnis. Und dennoch braucht es Leadership. Jemanden der Rahmen gestaltet, Strukturen schafft und für Entwicklung sorgen kann. Die Titel verändern sich und auch die Aufgaben. Und werden damit nicht leichter, sondern verlangen viel mehr von einer Führungspersönlichkeit: Empathie, Teamkompetenzen, Coaching-KnowHow und vieles mehr. 

Gründlichkeit, Perfektion und Qualität sind wesentliche Standards, die ein Unternehmen nach vorne bringen!

Des deutsche liebstes Kind, die Genauigkeit und Zuverlässigkeit wird abgeschafft und wir werden so, wie die Billigproduzenten aus dem Ausland. Made in Germany eben. Auch einer dieser Glaubenssätze.

Falsch: Agil sorgt nicht dafür, dass nur noch schlechte Produkte auf den Markt geworfen werden. Im Gegenteil. Ein wesentlicher Aspekt ist es, immer für technische Perfektion zu sorgen. Wir gehen nur früher auf den Kunden zu und schaffen mit ihm zusammen einen Weg, wie diese entstehen kann. Und gleichsam geht es vielmehr nicht mehr nur um das fertige, komplexe Endprodukt. Es geht um einfache Lösungen, die nunmal nicht bis zum Überperfekten ausgeplant sind. 

Agilität ist Anarchie - jede:r macht, was er / sie will!

Bei uns muss alles geregelt sein. Wie brauchen den Überblick über jeden Schritt und wir können es uns nicht leisten, wenn ständig alles überarbeitet werden muss. 

Falsch: Agil ist Struktur und eine klare Vorgabe für das Arbeiten an den wichtigen Themen. Das regelt das Framework. Und das in allen Konsequenzen. Und nebenbei haben wir ja auch schon festgehalten, dass es immer noch eine Führungsebene geben wird, die allerdings anders handelt. Denn hier liegt die Verantwortung sich an das Regelwerk der Struktur zu halten. SCRUM ist geregelt, OKR auch und alle anderen Methoden bringen auch eine stringente Organisation mit.

Agil ist nur was für die Softwareentwicklung. Die haben das ja schließlich entwickelt.

SCRUM, SaFe, LeSS und wie sie alle heissen, kommen aus einem innovativen Umfeld. Und da passen agile Methoden hin. Aber nicht in alle andere Bereiche. Und sowieso: Als Mitarbeiter:in kann man doch nicht immer innovativ denken und arbeiten. Das Tagesgeschäft geht vor.

Falsch: Agilität ist geschaffen worden, um in komplexen Fragestellungen Lösungen zu entwickeln. Die gibt es weit mehr Bereichen in der Organisation als man denkt. Und ja: Tagesgeschäft ist eindeutig wichtig, weil wir nur so die Existenz des Unternehmens sichern können. Das sollte uns aber nicht davon abhalten, agil zu handeln. Denn Agilität ist viel mehr als nur eine Methode. Es ist eine Denklogik und ein Kommunikationsinstrument. Und Kommunikation ist in unserem Tool-Overload, den es in vielen Organisationen gibt, so wichtig.

Mit dem richtigen Tool werden wir agil!

Apropos Tool: Der Markt für agile Produkte wächst ständig. Ein Tool hier, eine Plattform da. Wenn man die alle (oder möglichst viele) nutzt, dann klappt das mit der Agilität. Ticketsysteme, digitale Kollaborationsplattformen und diverse andere Administrationsmethoden machen uns agil. So ist es!

Falsch: Das Tool ist lediglich ein Hilfsmittel. Agilität bedeutet Kommunikation, Kundenzentrierung und Selbstorganisation. Und eben nicht Tooling. Wer sich genauer mit den Prinzipien und den Handlungsmaximen der agilen Welt beschäftigt, wird schnell feststellen, dass es eben nur wieder eine weitere fehlgeleitete Vorgehensweise ist, um Komplexes zu vereinfachen. Durch die Vielzahl der im Einsatz befindlichen Programme aber, schaffen wir es, die Amplitude agiler Vorstellungen massiv zu erhöhen. Was wiederum zu einer Erhöhung des Komplexitätsgrades führt. Eine agile Plattform wird nicht die Organisation retten. Im Gegenteil: Sie schafft Unübersichtlichkeit. 

Agil ist das Kleben von bunten Zetteln und ein moderner Arbeitsplatz mit viel Deko und Kickertisch!

Unsere Mitarbeiter:innen sollen arbeiten und nicht spielen. Das ganze Drumherum sorgt nur für Ablenkung und hat keinen Mehrwert. Und was soll der Quatsch mit diesen offenen Büros und Flex-Work und was noch alles. Da kann man sich doch gar nicht wohlfühlen.

Ausnahmsweise einmal Richtig: Agilität hat nichts mit bunten Zetteln zu tun. Und auch wieder falsch: Die Klebezettel werden gerne genutzt, um Arbeitsprozesse zu visualisieren. Und in die Kommunikation zu gehen. Und Atmosphäre ist dabei wichtig. Und weiter: Der Gedanke, der sich festigen möchte, ist, durch diverse Angebote den Kommunikationsfluss zu steigern. Das geht auch mal an einem Kickertisch. Wer Menschen im Büro beobachtet, die diesen nutzen, wird feststellen, dass weniger gespielt und viel mehr diskutiert wird. Und darum geht es. Dennoch: Wohlfühlen bei der Arbeit ist wichtig, wenn alles andere auch stimmt. 

Wie gehen wir nun aber mit diesen Glaubenssätzen um?

Tja. Das ist die entscheidende Frage. Ich werde immer wieder gefragt, was ein wirkungsvolles Mittel sein könnte, um Glaubenssätze zu entkräften. Ob Coaching, Training, Leuchtturm-Projekte oder Innovations-Meetups - Was wirklich hilft, kann nur die Praxis helfen.

Trotzdem: Vergleiche diese Überzeugungen einmal mit denen, die dir jedes mal über den Weg laufen, wenn du etwas verändern willst. Du wirst schnell feststellen, dass es Analogien gibt.

Und was wirkt?

Ständige Wiederholung! Etablierung neuer Muster durch Routinen. Dranbleiben. Ich gehe hier gern mit dem SHU-HA-RI Prinzip:

Glaubenssätze

Dies bedeutet, ich muss mich schon einer Situation stellen und diese über einen längeren Zeitraum konsequent umsetzen, bis ich ein Gefühl dafür bekomme und das neue Muster Teil meines Denkens und Handelns wird. 

Auch wenn es in der Zeit manchmal zu Rückschlägen kommt, braucht es diese Kontinuität, um das alte Denkmuster zu überschreiben und ein neues zu etablieren. Im SHU sind wir konsequent, halten uns an Regeln, wiederholen ständig, fast stoisch und sind uns der hinderlichen Glaubenssätze bewusst. Manches neue Denkmuster braucht auch mal 1 Jahr oder länger, um sich zu festigen. Erst dann können wir ins HA übergehen und die Prinzipien hinterfragen. 

Beispiel: Daily Standup Meeting

In einem mittelständigen Technologieunternehmen werden agile Arbeitsmethoden eingeführt. Unter anderem wird sich darauf verständigt, dass alle Teams täglich für wenige Minuten zusammenkommen und den Status Quo austauschen:

  • Was haben wir bis heute erledigt?
  • Was wollen wir heute anpacken?
  • Welche Hindernisse sind aufgetaucht?

Die meisten Teams lassen das Standup nach kürzester Zeit fallen, weil sie den Mehrwert nicht erkennen und entscheiden sich dafür, Bearbeitungsstände lieber über diverse Tools und Ticketsysteme zu visualisieren und nicht darüber zu sprechen. Schnell zeigt sich, dass die Teams keine erkennbare Entwicklung nehmen und das Standup als Zeitinvest ohne Wirkung ansehen. Das alte Muster ist unverändert da.

Im Gegensatz dazu entscheidet ein Team im Vertrieb sich, das Daily Meeting als festen Bestandteil des Tagesablaufs zu installieren und hält sich an die Vereinbarung. Nach 3 Monaten sind die Effekte erkennbar. Die Aussagen der Teammitglieder sind:

  • Wir nehmen wichtige Dinge in den Fokus und reden darüber.
  • Wir schaffen es, Abhängigkeiten zu beseitigen und Lösungsparameter anzudenken.
  • Wir wissen, wer an welchen Kunden aktiv arbeitet ohne dafür in die Ticket-Flut schauen zu müssen.
  • Wir kennen die Herausforderungen unserer Kolleg:innen und finden gemeinsam Lösungen.

Dies sind nur wenige Aspekte, die zeigen, wie wichtig Durchhalten ist.

Nach 1 Jahr ist das Standup in diesem Team so gefestigt und der Mehrwert so deutlich sichtbar, dass man nicht mehr davon abgehen will. Und gleichsam sehen andere Bereiche deutlich, was geschaffen wurde. Ein typischer Leuchtturm.

About the author

Marc Schmetkamp

Marc Schmetkamp ist agiler Coach, Mentor und Organisationsentwickler. Gemeinsam mit dem Team von Planetagile entwickelt er Strategien, die passgenau Organisationen dabei unterstützen, den Start in agile Arbeitsweisen und effektive Zusammenarbeit zu meistern. Dabei ist es Marc besonders wichtig, den Fokus auf den Menschen zu legen und Werte lebendig werden zu lassen.


{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}
>